Hätte mich Mutter nicht auf die Straße gesetzt und mir die Nahrung nicht vorenthalten, hätte ich all das nie erfahren. Auch das nächste Unglück, das sich ereignen sollte, erwies sich als wohltuender Segen! Rückblickend haben alle Erlebnisse unverzichtbar meine Essenz freigelegt, um mein inneres Wesen als Himmelskind zu offenbaren.
Nun erzähle ich Dir von meiner ersten, eigenen Entscheidung, die in ein Desaster führte. Doch unmittelbar darauf entpuppte sich der entstandene Schaden als pures Glück. Was für eine Erleichterung, mich sogar auf meinen selbst gewählten Wegen mitten im Himmel zu wissen!
Mitte Februar ließ das Thermometer einen der kältesten Tage überhaupt erwarten. Es war sogar derart kalt, dass ich mich erstmals zu einem Spaziergang entschied, um mich etwas aufzuwärmen, bevor ich wie gewohnt meine stille Ecke aufsuchte. Ein ungutes Gefühl beschlich mich bei diesem Vorhaben, gepaart mit einem schlechten Gewissen, weil die innere Stimme den direkten Weg bevorzugt hatte. In meiner dünnen Sommerkleidung vor Kälte erstarrt, hatte ich fast das Gefühl, an Ort und Stelle erfrieren zu müssen. Deshalb setzte ich mich über die innere Weisung hinweg. Überraschenderweise kam Schwesterherz auf mich zu gerannt und erzählte, sie suche mich überall im Dorf und wolle mir unbedingt etwas zeigen. Sie habe einen riesigen, warmen Berg auf einem großen Platz gesehen. Kurzerhand zog sie mich direkt zu ihrem erstaunlichen Fund.
Tatsächlich stand vor uns ein riesiger Haufen erloschener Asche, der aus seiner Mitte immer noch Wärme abstrahlte. Erfreut über die unverhoffte Wärmequelle bestiegen wir den mannshohen Hügel. Was für ein erwärmendes Glück! Hätte ich mich meinem Inneren nicht widersetzt, hätte ich diesen Wärme spendenden Heizofen nie entdeckt! Beglückt genossen wir die aufsteigende Temperatur, die jedoch mit jeder Minute arg zunahm. Nach zehn Minuten drohte bereits mein Hintern zu verglühen! Wo ich zuvor gesessen hatte, gähnte ein schwarzes Loch. Rund herum lag ein verkohlter Rest meiner Jacke, die ich zuvor schützend untergelegt hatte. Mit einem riesigen Brandloch auf dem Rücken beeilte ich mich, mein Versäumnis nachzuholen. Vorwürfe marterten meinen Verstand. Wie konnte ich nur so eigensinnig sein und die Sache selbst in die Hand nehmen, anstatt mein Wohl der Schöpfung zu überlassen? Mein Eigenwille hatte sich Wärme geholt und dafür meine Jacke geopfert! Und das an einem der kältesten Tage überhaupt!
Schnurstracks kam ich meinen Pflichten nach und schwor mir, mich nie wieder ablenken zu lassen. Wie jeden Abend wurde ich pünktlich um sechs Uhr sanft vom Unsichtbaren geweckt. Dieses Mal fiel es mir unsagbar schwer, vor Mutters Augen zu treten. Bislang hatte ich noch nie etwas beschädigt und das betrübte mich sehr. Natürlich war sie alles andere als erfreut und grummelte, dass sie keinen Ersatz hätte und mich daher nicht mehr nach draußen schicken könne. Was für ein Glücksfall! Von da an durfte ich wieder im zwar unbeheizten, aber doch windstillen Zuhause bleiben! Mutter gab sich gezwungenermaßen ein wenig mehr Mühe, Essbares nach Hause zu bringen. Doch der Vorsatz hielt nicht lange und der Nachschub nahm nach kurzer Zeit schon wieder ab. Es gab nur noch alle paar Tage ein paar Kleinigkeiten zu essen. Natürlich ging sie davon aus, dass ich tagsüber doch das Haus verließ, um bei irgendwelchen Freunden etwas Nahrhaftes zu ergattern. Reine Spekulation, aber diese erwies sich für mein Wesen als überaus dienlich. So konnte ich ungestört den ganzen Tag damit verbringen, mich im puren Himmelreich zu fühlen, ohne wirklich etwas zu brauchen.