Eine gigantische Wunderreihe sollte trotz der vorangegangenen, schmerzhaften Erfahrung beim Betteln unmittelbar folgen. Anstatt weiter hausieren zu gehen, lief ich erst einmal orientierungslos umher. In der klirrenden Kälte musste ich mir eine Bleibe suchen, um nicht an Ort und Stelle zu erfrieren. Als ich durch eine enge Gasse lief, fand ich einen versteckten Winkel und drückte mich völlig durchgefroren an eine Hauswand. Von den Eindrücken überwältigt, sank ich zu Boden. Mein Gesicht, meine Hände und die Füße spürte ich schon fast nicht mehr. Die vom Nebel verschleierte Luft fühlte sich so kalt an, dass mein ganzer Körper unablässig aufschrie. Damit sich die gereizten Sinne beruhigen konnten, zog ich ihre gefühlten Bahnen in mich zurück und kapselte mich dadurch langsam von der Außenwelt ab. Nach einer halben Stunde zitterte ich immer noch. Aus der Intuition heraus versuchte ich, mich über verschiedene Einstiege in mein Innerstes vor diesen schmerzhaften Empfindungen in Sicherheit zu bringen. Daheim und unter guten Bedingungen fiel es mir leicht, in mein Lichtwesen einzutauchen, doch hier schien der Körper in Dauerschleife einen Notstand zu melden. Es musste eine Möglichkeit geben, trotzdem zu entspannen. Irgendwann schaffte ich es, jeden nach außen gerichteten Empfindungs-Kanal einzeln abzunabeln und in meinen Wesenskern zurückzuholen. Daraufhin hörte jeglicher Schmerz auf. Mein Körper und die Umgebung fühlten sich auf einmal behaglich warm an. Die Kälte, das Leid, selbst der Wind verschwanden in diesem einen Feld, das sich um mein ganzes Menschsein legte. In diesem Wunder fühlte ich mich engelsgleich. Es war, als hätten physische Eindrücke niemals in mir und um mich existiert.
Allen Sinnen entledigt, versank ich in einen Zustand, der die innere Welt, den heiligen Raum und seinen Frieden vollends nach außen kehrte. Als meine Persönlichkeit darin verschwand, trat etwas Wunderschönes aus meiner Herzensmitte hervor. Ein goldenes Himmelsfeuer begann, sich über alles auszubreiten. Die Umstände fühlten sich auf einmal leicht und befreit an. Eine Weile beobachtete ich mit leuchtenden Augen still die Umgebung, die in diesem Strahlenmeer einfach bezaubernd wirkte. Die Außenwelt erschien nicht mehr trist und grau, sondern schimmerte, vom goldenen Licht durchstrahlt, in den schönsten Regenbogenfarben. Nach wenigen Minuten ging ich noch einen Schritt weiter und zog mich noch tiefer in meinen Wesenskern zurück, bis mein Selbst im endlosen Nichts verschwand.
Dann schreckte ich plötzlich aus meiner am Boden zusammengekauerten Haltung auf. Als ich aufblickte, sah ich die Sterne über mir funkeln und ich musste mich sputen, rechtzeitig nach Hause zu kommen. Unglaublich, so musste ich den ganzen Tag zugebracht haben, denn an ein Dazwischen konnte ich mich nicht erinnern. Mein ganzes Wesen fühlte sich einfach fantastisch an, durchtränkt mit purem Leben! Zudem befand ich mich in einer behaglichen, extra beheizten Atmosphäre! Kälte oder weitere Sinneseindrücke existierten darin nicht mehr! Das goldene Licht leuchtete wie eine riesige Laterne unverhüllt in die Dunkelheit hinaus, gleichwie am Tag, sodass ich weit in die Ferne schauen konnte.
Kaum versetzte ich jedoch meinen Körper in eine Regung, fiel ich aus dieser wohligen Behaglichkeit heraus und landete direkt in einer Sturmböe, die wild an meinen Kleidern zerrte. Geradeso, als würde ich die himmlische Welt per Knopfdruck verlassen und in ein dunkles Inferno geschleudert. Der Aufprall der beißenden Kälte erschütterte meine Körperschaft schockartig. Am ganzen Leibe schlotternd, versuchte ich, mich zu orientieren. Besorgt fragte ich mich: „Wo bin ich? Wie kann ich wieder nach Hause finden?“ Die Ruhe meines Körpers vermittelte unmittelbar, dass er den Heimweg kannte, obwohl er ihn noch nie zuvor gegangen war. Aus dem Vertrauen heraus, der Körper gehöre der allumfassenden Intelligenz an und würde von ihr geführt, ließ ich einfach los, um mich auf dem kürzesten Weg zielstrebig nach Hause tragen zu lassen.
Mutter war erleichtert, als sie mich endlich eintreten sah. Ohne ein Wort zu verlieren, holte sie einen Lappen hervor und begann, mein Gesicht vom eingetrockneten Blut zu säubern. Beiläufig erkundete sie sich nach der Ausbeute. Betreten sah ich zu Boden. Da rügte sie mich ein bisschen und ging davon aus, ich hätte meinen Ertrag alleine aufgegessen. Sie forderte mich auf, dass ich lernen solle, zu teilen. Aber meine Schwester war satt, außer Frage, und Mutter zeigte sich glücklich darüber, dass ihre Jüngste nette Menschen gefunden hatte, bei denen sie mit allem versorgt wurde. Da ich mich nicht über einen leeren Magen beschwerte, lag für sie natürlich die logische Schlussfolgerung nahe, dass auch ich gegessen haben musste. Die Zeichen standen bestens und Mutter war guter Dinge, dass das neue Ernährungskonzept funktionieren würde. In der Meinung, wir Kinder wären satt, wurden wir direkt ins Bett geschickt. Der volle Magen traf bestimmt auf meine Schwester zu, denn das war ja Teil ihres gut genährten Geheimnisses. Da ich mich ohnehin stets wohlig aufgehoben fühlte, machte auch ich mir über Essen keine Gedanken. Obwohl ich die gewonnenen Erkenntnisse noch nicht in der Welt der Erscheinungen umsetzen konnte, hielt ich am Vertrauen fest, dass mich das bezaubernde „Wunderwerk Tausendschön“ in all meinen kommenden Schritten leiten würde.