Im wundervollen Einssein mit Lebendigkeit erfüllt und mit allem verbunden, kannte mein menschliches Wesen weder irgendeine Form von Getrenntheit noch jeglichen Mangel. Gefühle wie Hunger oder inneres Unerfülltsein existierten in meinem Bewusstsein einfach nicht. Wenn es etwas zu essen gab, dann aß ich, und wenn nicht, spielte es keine Rolle. Mein Menschsein wurde mit der unversiegbaren Liebe des Himmels auf unsichtbare Weise und ohne Unterlass aus dem „Ewigen Leben“ genährt. Selbst der Körper wurde mit allem, was er benötigte, voll umfassend versorgt – ja, sogar darüber hinaus.
Geistig erfüllt, fühlte sich mein Körper absolut himmlisch an. Der Unterschied in den Ernährungsweisen war frappant. Die Sättigung mit physischer Nahrung zeigte eine deutliche Auswirkung auf meine physische Befindlichkeit. Wie das Leben es wollte, konnte ich ausgedehnte Phasen der Nahrungslosigkeit erleben, aber auch die Auswirkung zugeführter Substanzen von außen. Durch den Umstand, dass Mutter immer später in der Nacht zurückkehrte, wurde diese Erkenntnis begünstigt. Nach Feierabend traf sie neue Freunde und kam nicht mehr nüchtern von ihren Ausflügen zurück. Wie ein unheilvoller Geist zog sie spät nachts volltrunken an uns vorbei, als existierten wir in ihrer Welt nicht mehr.
Auf der Alm am gemütlichen Herdfeuer bekocht zu werden, war endgültig vorbei. Der einzige Kamin, der ein bisschen Wärme spenden konnte, blieb den ganzen Winter über kalt. Auch der Herd mit den Pfannen und Töpfen rührte sich nicht. Stattdessen gab es hingeworfenes Brot, Zwieback, Biskuits oder eine Tafel Schokolade. Mutter entwickelte zudem die Angewohnheit, die mitgebrachten Nahrungsmittel im Vorübergehen einfach auf den Tisch zu werfen oder irgendwo auf ihrem Weg fallen zu lassen. Deswegen suchte Schwesterherz ständig in allen Ecken des Hauses nach Essen. Zudem wollte die Kleine bis spät in die Nacht auf Mutters Heimkehr warten, in der Hoffnung, etwas Essbares zu ergattern. Kaum war Mutter kurz durch unsere Mitte gerauscht und im Treppenaufgang verschwunden, rannte der kleine Sprössling schon ungeduldig los. Wie ein hungriges Raubtier stürzte sie sich auf die herein getragene Beute, riss die Verpackung mit den Zähnen in Fetzen auf und schlang den Inhalt beinahe unzerkaut hinunter. Die Kleine liebte Essen über alles und ihre Augen leuchteten vor Glück, wenn sie in etwas hinein beißen konnte. Doch oft gab es nichts, was unsere Mägen hätte füllen können. Es glich einem Wunder, überhaupt davon satt zu werden, besonders dann, wenn sich der Nachschub um Tage verzögerte.
Welche Nahrung auch vor uns lag, Schwesterherz bekam stets den Vortritt. Mir war bewusst, dass Essen für ihr Überleben notwendig war und sie brauchte auch meinen Anteil dafür. Ihre natürliche Veranlagung, sich aus der universellen Substanz zu ernähren, schien verloren. Die Kleine war sich nicht bewusst, dass sie auch aus der Stille der „Anwesenheit“ immerzu genährt wurde. Stattdessen folgte sie bedingungslos den Programmen, die von außen auf sie übertragen wurden. Die Ur-Natur ihrer Existenz versank immer mehr in der Anpassung an das allgemein gesellschaftliche Verhalten, das ihr einen Hintergrund zum Überleben lieferte. Auf stofflicher Ebene stützte sich ihr Funktionssystem auf die auferlegte Doktrin und befand sich nicht mehr in direkter Anbindung an die allgegenwärtige Lebensenergie. Schon von klein auf war sie abhängig von menschlichen Grundsätzen geworden. Ihr Körper und ihr Wesen richteten sich vollständig danach aus, um ihr Überleben in der stofflichen Welt zu sichern.
Da ich oft Esspausen von mehreren Tagen erlebte, bemerkte ich deutlich die Unterschiede zwischen geistiger Erfüllung und physischem Genährtsein. Die grobstoffliche Nahrung landete stets bleiern in meinem Magen und brauchte eine Weile, um sich durch den Verdauungstrakt hindurch zu schlängeln. Bereits nach einem Bissen zeigten sowohl mein Körper als auch mein Energiefeld ein diffuses Schweregefühl. Sogar die Raumqualität sank wie ein Barometer auf ein niederes Niveau. Was auch immer ich einverleibte, es zog mich wie eine Vakuumpumpe in eine gröbere Dichte, was sich beengend und unfrei anfühlte. Daher fiel es mir nie schwer, meiner kleinen Mitbewohnerin meinen Anteil abzugeben. Dabei fühlte ich mich sogar glücklich, ihr damit einen Dienst zu erweisen und dann nicht selber davon kosten zu müssen. Nur zum Schein knabberte ich unter Beobachtung an einem einzigen Biskuit herum, damit niemand bemerkte, dass ich die Nahrungslosigkeit bei weitem bevorzugte.
Es gab nichts, was sich so gut anfühlte, wie das Erfülltsein aus der „Ewigen Präsenz“. Was mich aus dem Unsichtbaren erfüllte, ging über alle Ernährungsweisen hinaus und erhielt mein Menschlein trotz physischer Nahrungslosigkeit wohlbehalten im Raum. Zu keiner Zeit fühlte ich mich energielos oder musste Anflüge körperlicher Schwäche erleiden. Im Gegenteil, mit jedem weiteren Tag ohne äußere Nahrungs- oder Flüssigkeitszufuhr fühlte ich mich immer klarer im wunderbaren Gewahrsein der Ganzheit verankert. Mein Körper verfügte jederzeit über eine ausgeglichene Energie, die weder zu- noch abnahm und absolutes Wohlbehagen ausdrückte. Ein fantastischer Zustand von Körperlichkeit, der mit einem „normal“ genährten Körper nicht zu vergleichen war. Selbst mein Energiebild wurde mit jedem Tag des Nahrungsverzichts feiner und zeichnete sich durch unvergleichliche Schönheit aus.