Mein erstes „Ich-bin-Aha-Erlebnis” ging bereits mit eineinhalb Jahren los. Das Ereignis war ein ungewöhnlicher und zugleich unbeschreiblich schöner Moment, in dem ich mich in allen Aspekten des Himmels zugleich erfahren durfte. Als das geschah, war ich gerade im Begriff, in einen kleinen Menschenkörper zu steigen.
Ein flüchtiger Blick begegnete sich in einem Spiegel. Verdattert blieb der Körper stehen. Der Vorhang meines Bewusstseins riss auf und was mir da im Spiegel entgegenblickte, erstaunte mich sehr! Verdutzt blickte ich an mir herab und der erste Satz, der durch meinen Verstand zog, lautete: “Wie kommt es, dass ich in einem so kleinen Körper stecke?” Offensichtlich war ich bis auf die weißen Windeln nackt und im Mund steckte ein befremdlicher Gegenstand. In hohem Bogen warf ich den Schnuller fort und fand es völlig absurd, an so einem komischen Ding herum zu lutschen. Himmel, wo war ich abgeblieben? Was war passiert?
Intuitiv blickte ich nach oben und sah, dass ich gar kein Körper, sondern ein formloses Geistwesen war, das im unendlichen Raum schwebte. Plötzlich zog mich etwas Gigantisches aus dem Leib zu ihm hinauf. Außerhalb des Körpers gab es kein „Ich“, ebenso wenig einen Ort, den ich als „meinen“ bezeichnen konnte. Vielmehr schien ich überall gleichzeitig existent zu sein, selbst im kleinsten Atom des Universums zeigte ich Präsenz. In diesem Zustand fühlte ich mich riesig, grenzenlos und unendlich frei.
Eine Weile betrachtete ich mich in dieser Formlosigkeit und begriff, dass ich nicht „neu“, sondern schon lange als Reisende unterwegs war. Irgendwie dämmerte mir, dass ich zuvor schon öfter einen Körper und andere Daseinsformen bewohnt hatte, jedoch nicht so einen kleinen wie diesen. Ein Schmunzeln überkam mein Selbst, als ich aus dem unendlichen Raum auf den darunter befindlichen Organismus blickte. Was ich sah, gefiel mir und ich ließ mir Zeit, die Lage zu sondieren, um mich in dieser überraschenden Situation zurechtzufinden.
Experimentell betrachtete ich meinen Körper aus verschiedenen Perspektiven. Interessant, dass ich jederzeit die Position im dimensionslosen Raum verändern konnte. Die plasmische Körperform leuchtete durchscheinend inmitten dieser schier endlosen Weite des Hintergrundes. Alles in diesem Sichtfeld schien nur aus Elektrizität zu bestehen, als würde in dieser Schwärze des Raums einzig der Energiekörper und mein Gewahrsein im unendlichen Raum schweben. Ebenso erstaunlich war es, meinen Körper von allen Seiten zu betrachten. Von vorne gesehen, schien er auf einer Art Riesenlinse zu stehen, eine Wölbung, die mit einer Krümmung nach oben schwerelos im Raum hing und an deren höchstem Punkt sich der Körper als Energiematrix aufbaute.
Hinter und zwischen all den Projektionen fühlte ich etwas Vertrautes. Im formlosen Nichts wohnte eine allumfassende Präsenz, ein ungeschriebenes Gesetz, das sich für mich verantwortlich zeigte. Die unendliche Seinsheit ermöglichte erst, dass ich überhaupt in Erscheinung trat. Das „Ich-Sein“ war vollständig darin eingebettet und unterschied sich nicht von ihrer Essenz. Das Formlose und ich waren eins.
Eine Gefühlslenkung trat auf, die mich veranlasste, dem Wunsch der allumfassenden Präsenz zu folgen und dieses Menschenleben anzunehmen. Zugleich folgte das begleitende Wissen, schon auf andere Planeten und in anderen Dimensionen gewesen zu sein, aber hier auf der Erde war ich noch nie. Der Eintritt in die irdische Atmosphäre geschah nicht aus meinem Bedürfnis heraus, sondern war eine unausgesprochene Entscheidung aus dem unendlichen Ganzen. Der Grund für meinen Aufenthalt war mir unklar, aber ich wusste, dass es einen Sinn in der allumfassenden Ordnung gab, die mit höchster Sorgfalt über meine Bestimmung wachte. Mit diesem Gedanken ließ ich los. Wie von selbst fügte ich mich dem übergeordneten Willen und ließ den Einzug in die Körperschaft vollziehen.
Der Übergang in die Form verlief augenblicklich. In Fleisch und Blut übergegangen, steckte ich plötzlich erneut in diesem kleinen Körper fest und blieb zugleich verbunden mit der All-Seienden Gegenwart. Für eine Weile konnte ich problemlos zwischen den beiden Dimensionen hin und her wechseln und es bereitete mir Freude, die verschiedenen Daseinsebenen auszuloten. Einmal war ich oben in dieser allumfassenden Präsenz und dann wieder auf Knopfdruck in der Verkörperung zugegen. Manchmal war ich auch beiderseits vorhanden.
Wenn ich mich im Körper positionierte, erlebte ich ihn nicht als „meinen“ Körper oder als eine Verkörperung des Selbst. Vielmehr bewohnte ich den Körper als darin eingezogenes Lichtwesen und durchtränkte ihn mit einer erhellenden, weißgoldenen Aura. Die ganze Szenerie hatte an sich nichts Grobstoffliches. So etwas wie feste Materie gab es nicht. Was sich der Betrachtung erschloss, glich einer energetischen Matrix aus lebendig vibrierenden Teilchen. Der Körper selbst schien nur aus Funkelpartikeln zu bestehen, die in winzigen Regungen in einer atemberaubenden Geschwindigkeit reflektierten und so in der Umgebung aufleuchteten. Einzig die Regungen dieser Energie-Pixel aus Licht erzeugten im ewigen Dunkel überhaupt erst einen Eindruck einer möglichen Manifestation, die jedoch über alle Formen hinausführte. Was die Verkörperung darstellte, gab in der Wahrnehmung keine physischen Grenzen preis.
Zugleich hatte ich auch nicht das Gefühl, in einer anderen Dimension oder Welt gelandet zu sein. Was existierte, bildete sich aus diesem einen Raum, sozusagen auf einer Universalebene, ohne sich von seiner ursprünglichen Formlosigkeit zu unterscheiden. Darin gab es kein Hier und auch kein Dort, denn alles existierte gleichzeitig, war gleichwertig und absolut harmonisch. Mir war, als ob ich problemlos mit der Hand durch alles Existente hindurch greifen könne, ohne dabei wirklich etwas zu berühren. Im unendlichen Meer glitten meine Finger durch das glitzernde Plankton und danach fanden sich alle Lebenspartikel sogleich wieder in ihrer ursprünglichen Ordnung ein.
Kam ich in Berührung mit dem Körper, bildete sich um ihn ein goldenes Licht. Es schien von innen nach außen durch, sodass die unmittelbare Körperumgebung sanft golden schimmerte. Das Licht verwandelte alles in eine lebendige Atmosphäre. Wenn ich jedoch aus der verkörperten Perspektive ausstieg, um die Szenerie von oben zu betrachten, offenbarte sich der Körper eher als unbelebte Hülle, eine Art Hologramm, das erst durch meine Anwesenheit den Anschein von etwas Belebtem erweckte. Das Phantom zeigte sich auch ohne mein Beisein in schillernden Farben, aber es steckte scheinbar kein Leben in ihm, das es wie eine Laterne im Universum hätte leuchten können.
Interessanterweise konnte ich das goldene Licht wiederum nicht im übergeordneten Raum sehen. Als verschlucke das riesige „Nichts“ alle Lichtpartikel oder es käme nur mit meinem Einzug in die Körperschaft zum Vorschein. Um der Sache auf den Grund zu gehen, machte ich ein paar zusätzliche Ein- und Ausstiege. Das merkwürdige Erscheinungsbild blieb gleich. Wenn ich wieder in die Energiematrix des Körpers eintrat, war das goldene Leuchten erneut sichtbar, was nahelegte, dass es mit mir in die Körperschaft einzog. Lustig war für mich, dass ich entlang der Wirbelsäule wie auf einer Leiter hinauf und herab steigen konnte, um dann oben am Scheitel in meine natürliche Formlosigkeit über zu gleiten. Diesen Weg nutzte ich auch, um wieder in den Körper zu steigen. Stets war meine Tätigkeit an der Wirbelsäule von einer sanften Lichtspur begleitet.
Beim Ausprobieren fiel mir auf, dass es nicht nötig war, über die Wirbelsäule aufzusteigen. Hinter dieser Bemeisterung steckte eine Tätigkeit, die bereits Energie erforderte. Was absolut keinen Aufwand erforderte, war das Überspringen des Augenblicks. Es war gerade so, als hebe ich jegliche Perspektive mitsamt Wahrnehmung mit einem einzigen Wimpernschlag aus dem „Jetzt“. Schneller, als ein Gedanke überhaupt als Verursacherprinzip dafür in Frage kommt. Der springende Punkt war der: Ich wusste, dass ich überall im Raum vorhanden war und selbst das Universum darstellte. Es fühlte sich an, als hätte ich unzählige Augen und die freie Wahl, mich selbst aus jeglicher Perspektive meines Seins zu betrachten. Noch vor der Absicht eines Gedankens war ich bereits dort. Quasi auf Knopfdruck konnte ich den aktuellen Wahrnehmungssender nach Belieben im Raum und in unterschiedliche Daseinsformen wechseln.
Erstaunlicherweise gelang es mir in Sekundenschnelle, zwischen „Ich bin verbunden mit einem Körper“ und „Ich bin dieser Körper“ zu wechseln. In letzterem Szenario fühlte sich die Hülle wie eine zweite Haut an. Je öfter ich mich in der verkörperten Perspektive einfand und als Folge unweigerlich damit identifizierte, desto mehr wurde daraus „mein Körper“, der ein „Ich“ manifestierte. Das Maß der Verkörperung hing davon ab, wie ich meine Seinsheit im Bewusstsein festhielt. Je länger ich mich im Inneren des Körpers aufhielt, desto schneller verlor ich das Gefühl von Verbundenheit zum unendlichen Dasein. Ohne Umschweife und so unerwartet rasch erfolgte die Einschränkung des Bewusstseinsfeldes. Somit musste ich extrem aufpassen, nicht mitsamt Bewusstsein im Strudel der Manifestation zu versinken. Schon die kleinste Verschiebung meiner Wahrnehmung hatte große Auswirkungen auf die wahrgenommene Realität, auf die Einstellung meines Bewusstseins und letztendlich auch auf meine Selbstwahrnehmung.
Diese Veränderungen behagten mir nicht. So probierte ich verschiedene Einstellungen aus, um das Bewusstsein im Raum zu stabilisieren. Ansonsten drohte ich vollends in das Manifeste abzugleiten. Das würde zur Konsequenz haben, mich nicht als geistiges Wesen zu begreifen, das überall gleichzeitig vorhanden war, sondern nur noch als Körperschaft. Daher versuchte ich es mit einem erneuten Ausstieg in das allumfassende Ganze, um mich von dort aus so im Körper einzufinden, dass ich das Außen wie Innen, das Geistige wie Manifeste, einigermaßen im Gleichgewicht halten konnte. Dabei nahm ich mir für das Erdenleben fest vor, die beiden Welten in der Waage zu halten, damit mich das Meer des Vergessens nicht verschlingen und ich immer mit meiner wahren Heimat in Verbindung bleiben konnte. Dabei ahnte ich, dass dies keine leichte Herausforderung werden würde. Die Fixierung des Bewusstseins in seinem manifestierten Ausdruck brachte viele geistige Aspekte zum Verschwinden. Es wirkte so, als gehe eine Art Hypnose mit der Erscheinung von Körperlichkeit einher und ließe die Wirklichkeit umher verblassen. Einmal in seinen Bann gezogen, zeigte sich das Manifeste als autonomes und einengendes Konstrukt, das das erblindende Bewusstsein in einer Sogwirkung mit seiner Manifestation verknüpfte.
Diese ganze Erfahrung meines Eintritts hat im Grunde genommen nur wenige Minuten gedauert. Da in diesem Raum keine Zeit existiert, stand die Welt für die Betrachtung buchstäblich eine Weile still. Um ein größeres Verständnis für die Situation aufzubauen, stand nicht mehr viel Zeit zur Verfügung. Es fiel mir immer schwerer, in den übergeordneten Zustand zu wechseln und den Körper willkürlich zu verlassen. Die “All-Anwesenheit” im Raum signalisierte, dass ich nun genug gespielt hätte und ich mich vollständig auf die Verkörperung einlassen soll. Sogleich ließ ich los, um mich vollständig in die Körperschaft einzufinden.